Donnerstag, 15. Juni - 18.00 Uhr
Altes Casino Alteburg
Roßplan 17, 04600 Altenburg
Hinter den Fassaden des Undergrounds
Parallel zu dieser Veranstaltung „Groschenroman versus Literatur“ begeben wir uns in den „Underground“. Kaum eine andere Kunstrichtung ist so eng mit Literatur verknüpft wie die Musik. Im alten Casino erlebt das Publikum eine versuchte (künstlerische) Symbiose aus Literatur und Musik. Es begibt sich auf eine Reise in zu Unrecht als verrucht verschriene Dunkelkammern der Kreativität. Nur wenige Künstler*innen schaffen es je, die Türen des Mainstreamerfolgs zu passieren, um dort einen Blick hinter dessen Hochglanzpapierfassaden werfen zu können. Aber gerade jenen anderen, nicht-mainstream Raum, den Underground, verstehen einige Künstler als Antrieb und wilden Garten, um darin ihre Werke in wildere und buntere Verzweigungen wachsen zu lassen, als der Mainstream sie akzeptieren würde.
Wir stellen hier zunächst in einer Poduimsdiskussion mit verschiedenen Autor*innen einen Überblick des literarischen Undergrounds der ehemaligen DDR her und vergleichen ihn mit dem der so genannten alten Bundesländer. War es hinter den Fassaden einer Diktatur schwerer, im Underground erfolgreich zu sein? Hat gar das DDR-Regime durch seine repressive Politik dem Underground eine Kreativitätsschub versetzt? Behinderte ein auf bunte Literaturluftballons versessener Medienmarkt im Westen kreative Entfaltung? Mit dabei werden sein: Sascha Anderson, Florian Günther, Frank Bröker. Moderiert wird die Diskussion von Christof Meueler (Feuilleton-Chef Neues Deutschland). Im Anschluss an die Diskussion werden die Autoren in einer jeweils 20 minütigen Lesung aus ihren Werken rezitieren.
Die Autoren
Florian Günther
1963 in Berlin-Friedrichshain geboren, ist Schriftsteller und Fotograf.
Nach abgeschlossener Druckerlehre arbeitete Günther unter anderem als Totengräber, Anstreicher, Chauffeur, Paketsortierer, Bauarbeiter, Lager- und Fließbandarbeiter, Buchverkäufer, Pizzafahrer und Grafiker.
1983 war er Sänger der Ostberliner Punkband Klick&Aus.
Als Fotograf bereiste er zahlreiche Länder, seine Fotos, die zu einem Großteil verschollen sind, waren in mehreren Ausstellungen zu sehen. Er schreibt seit Beginn der 1980er Jahre und veröffentlichte in Kunst- und Literaturzeitschriften und in original-graphischen Editionen.
Seine Gedichtbände erschienen im eigenen Verlag Edition Lükk Nösens sowie im Verlag Peter Engstler.
Von 2008 bis 2009 war er kooptiertes Redaktionsmitglied der kunstpolitischen Zeitschrift floppy myriapoda. Seit 2010 ist er Herausgeber des DreckSack – Lesbare Zeitschrift für Literatur.
Florian Günther bringt seine Texte auch in Tagesmedien ein und teilt sich dort mit, so in der taz und in der jungen Welt.
Sascha Anderson wurde am 24. August 1953 in Weimar geboren.
Nach der Schule absolvierte er eine Lehre als Schriftsetzer in Dresden und arbeitete kurzzeitig als Zerspaner, bevor er 1974 ein Volontariat bei der Deutschen Film AG (DEFA) in Potsdam-Babelsberg aufnahm.
Von 1969 bis 1971 lernte er den Beruf des Schriftsetzers in Dresden.
Wegen Flugblattaktionen und Verbreitung von Gedichten des Liedermachers und Lyrikers Wolf Biermann wurde Anderson 1970 sechs Monate und 1972 zwölf Monate inhaftiert.
Von 1974 bis 1975 folgte ein Volontariat bei der DEFA in Babelsberg, von 1976 bis 1978 war Anderson Autor an der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam.
Es folgten weitere Nebenjobs wie Nachtpförtner in einer Molkerei und Gleisbauarbeiter in der Braunkohle im Strafvollzug Luckau, danach Hausmeister an der Versöhnungskirche in Dresden-Striesen. Um die Redaktionsarbeit direkt zu beeinflussen, bewarb er sich (erfolglos) am 1. September 1980 – vermutlich auf Veranlassung des MfS – als Technischer Redakteur bei der Kirchenzeitung Der Sonntag, die zu politisch missliebigen Themen wie Friedensethik, Umweltschutz und Menschenrechten publizierte.
1981 zog Anderson nach Berlin. In dieser Zeit entwickelte er sich zu einem der bedeutendsten Protagonisten der alternativen Künstlerszene im Prenzlauer Berg. Er veröffentlichte zahlreiche Untergrund-Publikationen und spielte in mehreren Rockgruppen (Zwitschermaschine, Fabrik). Unter anderem war er maßgeblich an der westdeutschen Veröffentlichung der Split-LP DDR von unten mit der Band Schleim-Keim beteiligt.
1986 stellte Anderson einen Ausreiseantrag, dem kurz darauf stattgegeben wurde, sodass Anderson noch im selben Jahr nach West-Berlin übersiedeln konnte.
Anderson war 1990 Mitbegründer des Lyrikverlages Druckhaus Galrev. Im folgenden Jahr verdichteten sich die Hinweise auf seine Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR.[8]
1996 gründete Anderson gemeinsam mit Bert Papenfuß-Gorek die Edition Poetische Boegen. Von 2006 bis 2013 gab er ebenfalls mit Papenfuß die Reihe Black Paperhouse im Gutleut Verlag Frankfurt a. M. heraus. Er arbeitet außerdem als Layouter und Texter für Rockbands.
Frank "Dr. Pichelstein" Bröker
31. August 1969 in Meppen geboren, ist ein deutscher Musiker, Komponist und Autor.
Bröker ist seit 1991 Krankenpfleger. Nach dem Zivildienst studierte er bis 1998 (Diplom) Sozialarbeit in Münster. 2002 kam er nach Leipzig. Dort arbeitet er hauptberuflich in einer psychiatrischen Klinik.
Bröker war bereits in den 1990er Jahren in der Münsteraner Kulturszene als Autor, Festivalveranstalter und Musiker ("Caution Screams", "Fette Helden", "Spark*n bow", "Poets in arms") aktiv. 2003 gründete er zusammen mit Holger „Makarios“ Oley (Sänger von Die Art) in Leipzig die Band The Russian Doctors[2], die vermeintliche Gedichte des fiktiven russischen Dichters S. W. Pratajev vertont. 2007 ging daraus die „Pratajev-Gesellschaft“ hervor, deren 1. Vorsitzender Bröker ist. Gemeinsam arbeiten Bröker und Oley auch in dem Bandprojekt Goldeck.
Bröker ist Eishockey-Fan (Icefighters Leipzig)[4] und -experte und veröffentlichte vier vielbeachtete Bücher zum Thema.
Christof Meueler
Christof Meueler ist Jahrgang 1968, hat Soziologie, Philosophie und Politologie in Darmstadt studiert und ist seit 2018 Literatur-Redakteur beim »nd«. Seit 2019 leitet er das Feuilleton. Vorher war er 17 Jahre Ressortleiter für Feuilleton und Sport bei der »jungen Welt«.
Christof Meueler wird den Live-Talk moderieren.